Anais C. Miller: Drecksmutter

Über das Buch:

Autorin: Anais C. Miller
Titel: Drecksmutter
Verlag: Redrum Verlag
Genre: Real Crime / Thriller
ISBN: 978-3-95957-538-6
Preis: 12,99€

Inhalt:

Angelika S. (Name geändert), wächst in besonders schwierigen Familienverhältnissen auf: Der Vater Alkoholiker und brutaler Schläger, demütigt, vergewaltigt und schikaniert Angelikas Mutter vor den Augen der Kinder beinahe täglich. Die Mutter, dem Vater hörig und unterwürfig, sitzt das Familiendrama stillschweigend aus. Ihr gelingt es nicht, sich und ihre Kinder aus der grausamen Hölle ihrer Ehe zu befreien. Angelika nimmt sich bereits als Kind eines fest vor, später alles anders als ihre Eltern zu machen. Sie scheitert kläglich auf ihrem weiteren Lebensweg. Die psychische Erkrankung ihrer über all die Jahre geschundenen Seele, holt sie gnadenlos ein. Sie misshandelt und demütigt ihre eigenen Kinder auf eine abartig grauenvolle Art und Weise, für die man als Leser nur eines übrig hat: Entsetzen und Fassungslosigkeit. Für Angelika und ihre Kinder scheint es keinen Ausweg zu geben …

Meine Meinung:

Unter dem Titel springen uns die Worte „Real Crime“ entgegen. Anais C. Miller erzählt hier die Geschichte einer Mutter, einer Tochter, eines Opfers und einer Täterin zugleich. Die Autorin fungiert als Ghostwriterin der Angelika S., die natürlich einen anderen Namen trägt, aber dennoch ihr Leben wahrheitsgemäß und schockierend detailliert erzählt. Natürlich bekommt eine Geschichte sofort einen bitteren Beigeschmack, wenn einem der Wahrheitsgehalt bewusst wird. Fiktive Geschichten in dieser Form schockieren natürlich auch und uns ist bewusst, dass diese Fiktion für irgendjemanden Realität ist. Wenn man jedoch schwarz auf weiß und aus erster Hand erfährt, wie real die Worte – die wir gleich lesen werden – tatsächlich und nicht nur eventuell sind, dann geht man mit einem anderen Gefühl in die Geschichte. Nicht nur die Ankündigung, dass es sich hier um Real Crime handelt, schockiert, sondern auch der Schreibstil. Spätestens hier merkt man die krankhaften und erschreckenden Ausmaße der Geschichte. Die Geschehnisse werden dermaßen nüchtern, beinahe schon kalt und distanziert, geschildert, dass es einem kalt den Rücken hinab läuft. Man muss sich wirklich ins Gedächtnis rufen, dass Angelika S. diese Geschichte selbst erzählt und die Autorin sie nur niederschreibt. Es kommen keinerlei Gefühle wie Reue oder Schuldgefühle beim Leser an und das ist das wirklich Schockierende. Wir erfahren stellenweise, was Angelika S. als Kind durchmachen musste und wie für sie die Hölle auf Erden aussah. Dann gibt es einen Szenenwechsel und wir dürfen ihr Leben als Erwachsene begleiten: Wie sie ihr erstes Kind bekommen hat, voller Euphorie, es besser als ihre Eltern machen zu wollen. Wie sie überfordert ist, keine Muttergefühle aufbauen kann und immer wieder an die falschen Partner gerät, die ihr das Leben noch zusätzlich erschweren. Und wirklich schlimm ist die Tatsache, dass sie die ganze Zeit um ihre psychische Erkrankung weiß. Sie weiß, dass etwas nicht in ihrem Kopf stimmt und sie endlich anfangen muss, dagegen anzugehen, sich Hilfe zu suchen. Ab und zu blitzt ein mentaler Kampf gegen diese Krankheit auf, den sie jedoch immer wieder verliert. Um ehrlich zu sein hat mich die Wortwahl manchmal wütend gemacht. Wie jemand dermaßen viel Desinteresse und Realitätsverlust in sich tragen kann, ist für mich schwer nachvollziehbar. Angelika S. ist psychisch krank, aber es fällt schwer ihr damit einhergehendes Verhalten zu ertragen, ohne die aufschäumende Wut auf sie zu projezieren. Natürlich spielen ihre Eltern – der vergiftete Ursprung allen Übels – auch außerhalb ihrer schwierigen Kindheit noch eine tragende Rolle im kaputten Leben ihrer Tochter, aber Angelika S. ist nunmal die Person, die uns Einblick in ihre Gedanken und Empfindungen gibt. Ihr gegenüber hatte ich wenig Mitleid, auch wenn sie psychologisch gesehen nur bedingt für ihre Taten kann. Jeden Moment hatte man die Hoffnung, dass sie sich endlich helfen lässt, ihre Kinder abgibt und sie somit rettet. Man bekommt das Gefühl, dass sie zu oft kurz davor ist. Doch dann driften ihre Gedanke ab. An den äußeren Schein, den sie dann nicht mehr wahren kann und auch an das Kindergeld, das – einhergehend mit der Rettung ihrer Kinder- einen größeren Verlust für sie darstellen würde, als die Gesellschaft ihres eigen Fleisch und Blut. Angelika S. hat in ihrem Leben viel falsch gemacht. Wer weiß ob sie aus eigener Kraft eine Änderung der Umstände hätte bewirken können.

Bewertung:

Diese Geschichte macht wirklich fassungslos. Auch heute denke ich noch viel darüber nach. Solch harte Schicksale mit so viel Distanz und Kälte zu schildern, hat bei mir persönlich noch mehr beklemmende Gefühle ausgelöst. Es fällt – durch die kalte Atmosphäre und die Nüchternheit hinter jedem Wort – erschreckend leicht, sich in Angelika S. hineinzuversetzen. Man hat das Gefühl, ständig im Raum anwesend zu sein und ihr bei jeder entwürdigenden Tat über die Schulter zu schauen. Ich bin selten tiefer in ein fremdes Leben eingetaucht und habe mir gewünscht, eine Veränderung bewirken zu können.

Aufgrund des True Crime-Faktors, werde ich dieses Buch nicht nach meinem üblichen Bewertungssystem bewerten. Stattdessen möchte ich eine Leseempfehlung aussprechen. Lasst euch von der Geschichte von Angelika S. mitnehmen, berühren und nachdenklich stimmen.

Bewertung: 5 von 5.

• Die Coverreche obliegen ausschließlich dem Redrum Verlag. •

[Gekennzeichnet als Rezensionsexemplar]