
Über das Buch:
Autorin: Astrid Korten
Titel: Seelen unter dem Eis
Verlag: Piper Verlag
Genre: Psychothriller
ISBN: 978-3-492-50319-8
Preis: 10,00€

Inhalt:
Nach dem Tod seiner Mutter spürt der erfolgreiche Werbe-Macher Tom eine Leere in sich, die er durch einen Lehrauftrag an der Universität zu füllen versucht. Dabei kommt es zur Konfrontation mit der Studentin Amal, die weder talentiert noch schön ist. Gegen seinen Willen verfällt Tom der seltsamen jungen Frau mehr und mehr und gibt zum ersten Mal die Zügel aus der Hand. Obwohl Amal oft irrationales Verhalten an den Tag legt, vermag sich Tom ihrem erotischen Sog nicht mehr zu entziehen und verstrickt sich immer mehr in diese außereheliche Affäre – bis sein Doppelleben zu einer Katastrophe führt …
Meine Meinung:
Der Einstieg der Geschichte begrüßt uns mit einer interessanten Perspektive: Tom sitzt in der Todeszelle und wartet auf das erlösende Gift der endgültigen Spritze. Dieser Einsteig verwirrt natürlich erst einmal, da man aufgrund des Klappentextes eine andere Situation erwartet hätte. Schnell wird klar, dass die Katastrophe sich bereits ereignet haben muss, dass an den Umständen des Protagonisten nicht mehr gerüttelt werden kann. Wir als Leser wollen natürlich schnellstmöglich herausfinden, für welches Vergehen sich Tom in dieser Lage befindet und wie er sich in diese hineinmanövriert hat. Im Wechsel begegnen uns Sequenzen aus der Todeszelle und der Vergangenheit. Es gab keinerlei Schwierigkeiten, diesem zeitlichen Wechsel oder den einzelnen Geschehen zu folgen. Der Schreibstil ist sehr angenehm. Man kann sämtlichen Handlungen und Gedanken leicht folgen. Tom ist irgendwie sehr klischeebeladen: Der reiche, erfolgreiche Workaholic, der seine Ehe aufgrund der Arbeit leiden lässt. Er ist dominant, herrisch und hat gerne die Zügel in der Hand. Dennoch erleben wir im Todestrakt einen anderen Tom. Er ist selbstreflektiert und hat mit seinem Schicksal Frieden geschlossen. Das einzige, was er in seiner verbleibenden Zeit noch erreichen will, ist die Verbreitung seiner Geschichte nach seinem Tod. Und so beginnt er, das ihm Widerfahrene aufzuschreiben. Hier erfahren wir, wie ihm Amal – eine Studentin aus seinem Kurs – begegnet. Durch sie wird der Stein ins Rollen gebracht. Amal fand ich als Charakter sehr interessant. Sie wird als hässlich und schlecht proportioniert beschrieben. Beinahe schon abstoßend, denn an ihr scheint nichts zusammen zu passen. Dennoch fühlt sich Tom von ihr angezogen und begibt sich in ihren Sog. Dass Amal plötzlich mehr und mehr eine andere Seite von sich zeigt, hilft Tom wenig, denn für ihn scheint die Geschichte bereits geschrieben und er wird sich aus der Situation nicht mehr befreien können, ohne Schaden davon zu tragen. Amal entwickelt während der Geschichte Züge, die ich spannend und furchteinflößend fand. Dennoch agiert sie nachvollziehbar und auch Tom handelt in den Situationen wie ein in die Enge getriebenes Tier. Die Beziehung der beiden wirkt wie ein bizarrer Tanz, in dem zwar eine Person führt, aber lange nicht klar wird, welche dieser beiden es ist. Die Situation spitzt sich immer mehr zu. Außerdem ist da noch Helen – Toms Ehefrau – die zunehmend misstrauischer wird und noch dazu psychisch labil wirkt, weil ihr Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Auch sie ist ein gut eingebauter Charakter, der der Katastrophe im Leben des Protagonisten eine zusätzliche gefährliche Schärfe verleiht. Man weiß als Leser ganz genau, dass das Pulverfass irgendwann in die Luft fliegen und alle Beteiligten mit sich reißen wird. Unklar ist jedoch, in welcher Form dies geschieht und wer dabei auf welche Art zu schaden kommen wird. Ich hatte irgendwann eine Vermutung über den Ausgang der Geschichte, die sich dann auch grob bestätigt hat. Dennoch hat das der Spannung nicht geschadet, denn es gab immer noch so viel, was man als Leser nicht wusste. So viele offene Fragen, die nach und nach beantwortet wurden und der Geschichte damit ein stabiles Gerüst gegeben haben. Neben der eigentlichen Haupthandlung konnten mich aber auch die Nebenhandlungen im Todestrakt begeistern. Ich mochte die Einblicke, die dem Leser hier gegeben werden. Die Abläufe, Beziehungen und Gedanken einer Person, die dem Tod wissentlich so unmittelbar gegenübersteht, konnte die Autorin authentisch und interessant vermitteln. Dies gibt der Geschichte einen melancholischen Touch, denn man weiß, dass man sich vom Protagonisten verabschieden muss – egal welche Geschichte er uns erzählt und egal welche Rolle er in dieser spielt. Ob schuldig oder nicht, dieses Urteil liegt nicht in unserer Hand und kann durch nichts beeinflusst oder verändert werden.
Bewertung:
Ich fand diesen Psychothriller von Astrid Korten von Beginn bis Ende absolut gelungen. Wir haben klare Thriller-Elemente, die sich in der Geschichte zwischen Tom, Amal und Helen manifestieren. Zu einem Psychothriller wird dieses Buch jedoch hauptsächlich durch Amal und Helen. Beide sind psychisch labil – wie sich im Laufe der Geschichte herausstellt – und werden damit zu unberechenbaren Charakteren. Amal entwickelt eine vermeintlich krankhafte Obsession und toxische Züge, währen Helen ihren Mann mit ihrem verbissenen Kinderwunsch psychisch unter Druck setzt. Eingeklemmt zwischen den beiden Frauen wird unser Protagonist in eine Ecke getrieben und muss aus dieser heraus einen klaren Kopf bewahren. Wie gut ihm das gelingt, zeigt die Situation in der er sich befindet. Das Ende der Geschichte birgt eine Überraschung die zeigt, dass Tom sich selbst im Todestrakt altbewährte Charakterzüge beibehalten hat und diese Welt nicht ohne einen lauten Knall verlassen wird. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung für „Seelen unter dem Eis“, auch wenn sich mir der Zusammenhang zwischen Titel und Inhalt des Buches bis jetzt nicht erschließt.
Schreibstil: 5/5
Charaktere: 5/5
Spannung: 5/5
Geschichte: 5/5
Überraschungen/Wendungen: 3,5/5
Gesamtbewertung: 4,7/5
• Die Coverrechte obliegen ausschließlich dem Piper Verlag. •