
Über das Buch:
Autorin: Berit Sellmann
Titel: Seelenschere
Herausgeber: Dachbuch Verlag GmbH
Genre: New Adult Mystery Roman
ISBN: 978-3-903263-51-2
Preis: 16,50 €

Inhalt:
Als Rifka und Jarno auf die Färöer Inseln reisen, in die Heimat von Jarnos verstorbenem Großvater, hat das Paar noch keine Ahnung davon, wie negativ das Wort »Abenteuer« konnotiert sein kann. Sie landen im 34-Seelen-Dörfchen Mikladalur, wo die Sage der Robbenfrau kursiert, die aus Rachsucht Männer verschwinden lässt. Sogar eine Statue am Meer erinnert an sie. Das Gerede im Ort tut die depressive Rifka als Unfug ab – bis ihr Freund plötzlich wie vom Erdboden verschluckt ist. Besessen davon, Jarno wiederzufinden, taucht Rifka tief in das Leben und den Glauben der Inselbevölkerung ein. Dabei stößt sie auf das schreckliche Schicksal einer Dorfbewohnerin, das der Legende der Robbenfrau mehr Wahrheit einhaucht, als Rifka je hätte träumen können.
Meine Meinung:
Der Anfang ist sehr mysteriös. Vielleicht etwas zu mysteriös, da ich den Einstieg als recht holprig empfand. Man befindet sich sofort mit Rifka und Jarno in Mikladalur und gleichzeitig in Rifkas Kopf. Hier wird man einer Flut an negativen Gedanken ihrerseits ausgesetzt, deren Ursprung man nicht kennt. Durch fehlende Hintergrundinformationen wirken ihre Gedankengänge ungerechtfertigt und es baut sich anfangs eine gewisse Antipathie ihr gegenüber auf. Ich empfand vieles von ihrer Seite als übertrieben, weswegen ich nicht so recht mit ihr warm werden konnte. Dennoch schafft es Autorin Berit Sellmann eine Atmosphäre zu kreieren, die einen regelrecht in ihren Bann zieht. Es sind einfach zu viele Geheimnisse und zu viel Unausgesprochenes im Raum – bzw. im Dorf – als dass man sich von den Seiten lösen könnte. Zudem bekommt man inhaltliche Puzzle-Teilchen, die einem die Auflösung näher bringen, nur sporadisch. Neben der Haupthandlung sind Sequenzen eingebaut, die sich nicht auf unsere beiden Protagonisten zu beziehen scheinen. Hier kommt man als Leser jedoch inhaltlich auch nicht voran. Denn obgleich diese Sequenzen düster und brutal sind, scheinen sie in der Vergangenheit zu liegen. Weiterhin lässt sich aufgrund fehlender Informationen nicht ausmachen, wem diese Rückblicke gehören. Sie sind jedoch sprachgewaltig und unheimlich einnehmend. Ein weiterer inhaltlicher Aspekt, der sehr gewaltig ist, ist die mysteriöse Sage der Robbenfrau, die Teil der Geschichte zu sein scheint und gleichzeitig auch nicht. Spannend hierbei die erwähnte Statue am Meer, die es tatsächlich in ihrer beschrieben Ausführung so gibt – das Buch bekommt dadurch eine tiefgehende Bildhaftigkeit. Schritt für Schritt kommen wir dem Verschwinden von Jarno näher. Dabei blickt Rifka immer tiefer hinter die Geheimnisse von Mikladalur. Auf ihrer Suche begegnet sie einigen Dorfbewohnern, die allesamt sympathisch und mehr oder weniger hilfsbereit dargestellt werden. Man ist ihnen gegenüber relativ neutral eingestellt. Da auch Rifka recht schwer zu durchschauen ist, schafft man zu keinem der Charaktere eine tiefere Bindung aufzubauen. Das empfand ich aber auch nicht als zwingend notwendig, da viele Kleinigkeiten passieren, die es ihrerseits schaffen, Emotionen beim Lesen auszulösen. Nachdem man sich Seite für Seite der Wahrheit nähert, laufen am Ende alle losen Fäden zusammen und ergeben eine erschreckende Einheit, die für mich keineswegs vorhersehbar war. Jedoch ist die Auflösung hinter all den undurchsichtigen Geheimnissen so durchdacht und logisch, dass man den Ausgang der Geschichte, den Ausgang von Rifkas düsterer Reise, nicht einen Moment hinterfragt. Die Geschichte endet mit einem Knall und man nimmt das Ende sprachlos entgegen.
Bewertung:
Durch die gewählten Worte und den Schreibstil hat es die Autorin geschafft, hier und da tiefe Beklemmungen bei mir hervorzurufen. Ich kenne es von mir eher selten, dass mir der Inhalt eines Buches so nah geht, dass ich es kurzerhand beiseite legen muss. Hier ist jedoch genau das eingetreten. Die Atmosphäre ist einfach übergreifend, ebenso die Emotionen der Protagonistin. Was auf mich zuerst übertrieben und kleinlich gewirkt hat, wandelt sich im Laufe der Geschichte in vollstes Verständnis und Nachvollziehbarkeit – und zwar so sehr, dass es mir wirklich nahe ging. Zudem ist auch die Geschichte inhaltlich perfekt. Es baut sich alles nach und nach auf, nur um dann vollkommen sinnvoll und mitreißend zu enden. Dabei bleibt es bis zum Schluss düster und beklemmend. Man bekommt bis zum Schluss auf beinahe alles eine Antwort. Einzig der Zeitungsartikel, der die letzte Seite des Buches ziert, eröffnet neuen Raum für Spekulationen und gibt der Geschichte – nachdem alles aufgelöst und plausibel erklärt wurde – einen Hauch ihrer mysteriösen und geheimnisvollen Seite zurück. Dieses Buch ist für Thrillerfans absolut empfehlenswert, denn meiner Meinung nach gibt es zu viele grenzüberschreitende Schilderungen und Inhalte, als dass es sich dabei um einen Roman handeln könnte – was ich natürlich sehr begrüße. Für mich ist dieses Buch in seiner Gesamtheit wahnsinnig gelungen.
Schreibstil: 5/5
Charaktere: 2,5/5
Geschichte: 5/5
Spannung/Atmosphäre: 5/5
Überraschungen/Wendungen: 5/5
Gesamtbewertung: 4,5/5