
Über das Buch:
Autorin: C.V. Hunt
Titel: Wir haben alles falsch gemacht
Originaltitel: We Did Everything Wrong
Verlag: Festa Verlag
Festa Special
ISBN: 978-3-86552-894-0
Preis: 18,99€

Inhalt:
Für den 65-jährigen Abe ist das Leben nur noch eine Last: Seine Frau ist tot, seine Kinder sind egoistische Arschlöcher und sein Telefonjob als Verkäufer von Dr. Wiwis Selbsthilfe-Hörkassetten ist im 21. Jahrhundert ein trauriger Witz.
Aber genau in dem Moment, als er eine Überdosis Schlaftabletten einwerfen will, steht Abes alter Kumpel Horace vor der Tür – mitsamt seiner widerlichen neuen Flamme.
Jeder Versuch, die beiden narzisstischen Säufer wieder loszuwerden, scheitert. Und schlimmer noch: Horace hat beschlossen, die Lebensunlust von Abe mit Sex, Alkohol und einem Roadtrip ins Nirgendwo zu heilen.
Eine schonungslose Enthüllung der Schönheitsfehler unserer modernen Welt. Das schwarze Loch der Einsamkeit wird zum Horror.
Meine Meinung:
Abe. Ich habe mich selten mit einem Buch-Charakter so sehr identifizieren können, wie das hier der Fall war. Abe hat einen unglaublich trockenen Humor, ist intelligent, aber leider eben in seiner Denkweise auch vollkommen veraltet. Smartphone, Facebook – Fehlanzeige. Weder hat er Interesse daran, noch würde er sich freiwillige auf neumodische Technologien einlassen. Auch wenn er mit seinen 65 Jahren ein angehender Griesgram ist, ist er der sympathischste Buch-Charakter, dem ich seit langem begegnet bin. Mit viel Charme, Witz, aber auch Ernsthaftigkeit und Melancholie begleiten wir ihn durch diese Geschichte. Eigentlich hat er mit allem abgeschlossen: seine Frau ist verstorben, zu seinen Kindern und Enkeln besteht kein Kontakt und sein Job ist auch nicht unbedingt freudebringend. Für Abe scheint es nur noch einen Ausweg zu geben: Suizid. Doch dann taucht plötzlich sein Kumpel Horace mit „einer“ Freundin namens Carol auf und die beiden beginnen, sein bodenständiges, tristes Dasein auf den Kopf zu stellen.
Wir erleben die Geschichte aus der Perspektive von Abe. Er hat eine coole, staubtrockene und ironische Art, Dinge auf den Punkt zu bringen. Dabei schlägt seine Sprache aber auch, sobald es die Situation erfordert, ins Vulgäre um, jedoch verliert er dabei in keiner Sekunde seine sympathische Gelassenheit oder die unfreiwillig heraushängende Intelligenz. Das ist es nämlich, wofür Abe in meinen Augen steht. Er steht für eine Person, die der heutigen Gesellschaft absolut unangepasst gegenübersteht und damit zu leben versucht. Da hier aber Welten aufeinandertreffen, unterstützt dieser starke Kontrast seine Depression, weil ihm seine Einsamkeit – und das nicht nur in Hinsicht auf den Verlust seiner Frau – um ein Vielfaches reflektiert und vorgehalten wird. Horace ist unsere personifizierte Gesellschaft, die durch Carol komplettiert wird. Die beiden besitzen Smartphones, stehen auf Partys, Drogen, Sex und Anzüglichkeiten. Ihnen ist egal, wie man über sie denkt und so agieren sie auch. Dieses Verhalten im Zusammenspiel mit dem eingerosteten Abe hat mich oft zum Lachen gebracht. Ich bin einfach ein großer Freund von unterschwelligem, trockenem Humor, wie er hier zum Einsatz kam und der einen oder anderen Szene eine unfreiwillige Komik beschert hat. Carol wird widerlich und höchst obszön dargestellt und ich habe über ihr Benehmen oft den Kopf geschüttelt. Sie wirkt einfach hohl und trauert ihrer längst vergangenen Jugend auf die nur denkbar unpassendste Weise hinterher. Dennoch konnte sie, ebenso wie Horace, ein Gefühl von Sympathie in mir auslösen. Die beiden sind zwar abstoßend und haben keinerlei Empfinden von Etikette, dafür agieren sie aber herrlich frei und wirken damit um ein Vielfaches glücklicher als Abe. Die beiden interessiert einfach keine fremde Meinung. Hiermit hätten wir also den Kontrast der drei absolut gegensätzlich gestalteten Hauptcharaktere. Verstärkt wird dieser natürlich noch mit der Geschichte, die die Figuren verbindet. Horace möchte Abe aus seiner Komfortzone, vor allem aber aus seiner Depression holen. Ein Unterfange, das viele Überraschungen und nachdenkliche Sequenzen für den Leser bereithält.
Bewertung:
Dieses Buch ist für mich ein absolutes Highlight. Die Geschichte ist sehr realistisch und scheint aus dem Leben gegriffen. Die Handlungen könnten einem jeden von uns in der Form wiederfahren. Ich wurde bestens unterhalten, aber auch nachdenklich gestimmt. Während des Lesens beginnt man, sein eigenes Leben zu reflektieren und Vergleiche zu ziehen: Ist man zufrieden? Wird man im Alter mit dem glücklich sein, was man bis dahin erreicht hat? Oder wird man sich immer denken „Wir haben alles falsch gemacht?“ Für mich ein sehr packendes und zugleich bedeutsames Buch, dass sowohl auf gesellschaftlicher, als auch persönlicher Ebene seinen Anklang findet. Von mir gibt es eine absolute, in einer einzelnen vergossenen Träne schwimmende, Leseempfehlung, für dieses Werk, für grandiose Unterhaltung mit sehr aktuellen und emotionalen Inhalten.
Schreibstil: 5/5
Charaktere: 5/5
Geschichte: 5/5
Spannung: 5/5
Überraschungen/Wendungen: 5/5
Gesamtbewertung: 5/5

• Die Coverrechte obliegen ausschließlich dem Festa Verlag. •