Celina Weithaas: Ich Bin Du

Gekennzeichnet als Rezensionsexemplar

Über das Buch:

Inhalt:

Jeder kannte seinen Namen. Sein Gesicht prangte auf jedem Titelblatt. Heute lebt Nathaniel im Schatten. Er ist das letzte verlorene Kind eines vergessenen Stadtteils.
Als Nathaniel den Trümmern seines Lebens entflieht, läuft er dem Grauen Mann in die Arme. Der macht Nathaniel zu dem Rattenfänger von New York – einem gefürchteten und mythischen Mörder der Jüngsten und Wehrlosesten.
Durch ihn droht Nathaniel zwischen dem Flehen seiner Opfer und den Überresten seines Gewissens schon bald jeden Traum zu verlieren, der jemals zählte.

Meine Meinung:

Das Buch ist der Auftakt einer Trilogie rund um Nathaniel, angehörig den Chroniken des Grauen Mannes. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten mit dem Schreibstil. Er ist sehr verschachtelt, metaphorisch und durchzogen von detaillierten Be- und Umschreibungen. Aber diese Schwierigkeit hat sich für mich nach wenigen Seiten gelegt und ich habe mich gut ins Sprachbild einfinden können. Generell wirkt die Geschichte sehr poetisch geschrieben und kreiert dadurch eine ganz besondere Atmosphäre – eine die in starkem Kontrast zum Inhalt steht. Protagonist, wie schon erwähnt, ist Nathaniel. Das Leben – ganz besonders die Zeit seiner Kindheit – hat es mit ihm nicht gut gemeint. Diese düstere Vergangenheit wirkte derart prägend auf ihn, dass sie die Grundlage für die Geschichte, für seine Taten und Handlungen, bildet. Nathaniel ist ein Charakter, dessen Wesen sehr tiefgründig gezeichnet ist. Seine Eigenschaften und Gedanken kann man wohl nur als „krass“ bezeichnen. Seine Psyche ist düster und das wird auf jeder Seite klar transportiert. Dennoch gibt es – neben seiner zielorientierten Skrupellosigkeit – auch Momente von Menschlichkeit. Diese haben mich ganz besonders getroffen, denn sie sind der Grund für seine Vielschichtigkeit. Man erkennt sehr klar, dass sein Wesen noch bis ins Erwachsenenalter von seinem inneren Kind geformt und geleitet wird. Sobald dieses gebrochene Kind, gefangen im Körper eines erwachsenen Serienmörders, zum Vorschein kommt, bekommt man als Leser eine völlig andere Einstellung ihm gegenüber. Trotz seiner Taten ist er kein Protagonist, der reinen Hass erntet. Celina Weithaas hat wirklich beispiellos den inneren Kampf, die innere Zerrissenheit von Nathaniel atmosphärisch auf den Leser übertragen können.
Probleme hatte ich tatsächlich mit der Zuordenbarkeit einiger Nebencharaktere. Der Name Aria fällt bereits recht am Anfang des Buches, wird punktuell noch einige Male aufgegriffen, aber nie näher charakterisiert, obwohl Nathaniel sie direkt zu adressieren scheint. Erst gegen Ende wird hierauf näher eingegangen und ergibt dann auch Sinn. Dennoch hat ihre Erwähnung bei mir eher Verwirrung als geheimnisvolle Spannung hervorgerufen. Auch Chrona war für mich eher eine nebulöse Nebenerscheinung, die zunehmend mehr Relevanz beigemessen bekam. Obwohl sie für Nathaniel von vornherein unglaublich bedeutsam war, hat sich der Hintergrund dieses Aspekts mir nicht eindeutig offenbart. Gegen Ende versteht man die Beziehung der beiden dann etwas besser, jedoch hätte mir ein früheres Eingehen auf ihre Rolle in der Geschichte das Leseerlebnis an dieser Stelle noch vereinfacht. Besonders eindrucksvoll fand ich die atmosphärische Gestaltung der Geschichte. Das Grauen zieht sich durch das ganze Buch, wird jedoch so subtil in den Inhalt verflochten, dass es selbst ohne große Gewaltbeschreibungen packend nachwirkt.

Bewertung:

Bei dieser Geschichte gilt es unbedingt, die Triggerwarnung ernst zu nehmen. Die gezeichneten Themen sind düster, brutal und können traumatisierend wirken. Die Autorin hat es dennoch geschafft, das ganze wahnsinnig poetisch und eindrucksvoll zu verpacken. Unser Protagonist ist unglaublich vielschichtig und tiefgründig dargestellt. Man schwankt ihm gegenüber zwischen Hass und Mitleid, allerdings schaffen die Schilderungen auch eine Art Verständnis zwischen Natahniel und dem Leser. Die Spannung insgesamt ist eher subtil und wird vor allem durch die eindringliche Atmosphäre gestützt. Bis auf ein paar kleine Kritikpunkte, das Einbringen gewisser Nebencharaktere betreffend, ist diese Geschichte wirklich toll zu lesen – düster, schockierend und alles andere als oberflächlich.

Schreibstil: 4,5/5
Geschichte: 4,5/5
Charaktere: 4/5
Spannung/Atmosphäre: 5/5
Überraschungen/Wendungen: 3,5/5

Bewertung: 4 von 5.