Hagen Thiele: Die Pflicht

Über das Buch:

Autor: Hagen Thiele
Titel: Die Pflicht
Verlag: Independently published (19. November 2019)
Genre: Horror
ISBN: 978-1698815312
Preis (Paperback): 12,75€

Inhalt:

Der 18-jährige Erik Lehmann gilt an seiner neuen Schule schnell als verschrobener Außenseiter. Trotzdem weckt er das Interesse seiner Mitschülerin Laura und die beiden kommen sich näher. Doch Erik hütet in seinem Keller ein schreckliches Geheimnis: seine Pflicht. Kann die junge Liebe diese Zerreißprobe überstehen oder kommt es zu einer Katastrophe, die nicht nur Erik und Laura ins Verderben stürzen würde?

Meine Meinung:

Da ich bereits ein Buch von Hagen Thiele gelesen habe, bin ich einigermaßen vertraut mit seinem Schreibstil. Auch in „Die Pflicht“ konnte mich jener wieder überzeugen. Sehr bildhaft und nahbar wird uns Eriks Umfeld und Situation geschildert. Erik hat nichts Besonderes an sich. Er ist ein Charakter, wie wir ihn sicher alle aus der Schule kennen: ein bisschen verschroben, still, sich aus allem raushaltend. Der typische Einzelgänger eben. Obwohl – eine Sache lässt ihn doch aus der Masse herausstechen, davon darf jedoch zunächst nur der Leser Kenntnis haben. Doch auch hier spielt der Autor geschickt mit unserer Fantasie und kitzelt unsere Vorstellungskraft mit seinen Worten. Wir dürfen zwar erfahren, dass sich etwas in Eriks Keller befindet, um was es sich dabei jedoch handelt, bleibt lange unausgesprochen. Bald schon bahnen sich Gefühle zwischen Laura und Erik ihren beschwerlichen Weg ans Licht. Dieser Aspekt ist für mich auch leider stark mit Kritik belastet. Allen voran Laura, die ich als weiblichen Protagonisten reichlich unsympathisch fand. Sich für einen Partner oder Gefühle einer bestimmen Person gegenüber zu schämen kann ich nicht wirklich dulden. Auch wenn es sich in der Geschichte um Schüler handelt: eine Person, die nicht zu dem steht, was sie anderen gegenüber äußert ist in meinen Augen schwach. Dieser „Verdacht“ gegenüber Laura hat sich leider einige Seiten weiter durch ein ganz bestimmtes Verhalten bestätigt und ich habe sie als Charakter endgültig aufgegeben. Weiterhin hat mir die Darstellung der „Beziehung“ zwischen Laura und Erik – gemessen an der Relevanz im Gesamtgefüge der Geschichte – einen zu großen Teil eingenommen. Sobald der etwas harmlosere Teil aber als erledigt gilt, wird der Leser wieder mit ordentlichen Häppchen aus Horror-Elementen gefüttert. Diese waren in der Tat auf den Punkt. Mysteriöses Verhalten, Angst vor dem Unbekannten und böse, düstere, nicht greifbare Mächte, die auf Erik, wie auch auf den Leser wirken. Bis zum Schluss tappt man im Dunkeln. Ungewiss sind die Vergangenheit oder die klar definierte Zukunft von Eriks Pflicht. Einigen Punkten verleiht Hagen Thiele kein eindeutiges Gesicht. Ihre alleinige elementare Andeutung schafft es, den Leser zufrieden zu stellen. Man bekommt nicht das Gefühl, dass etwas fehlt. Selbst das Ende, dass an der Stelle offen daherkommt, konnte mich befriedigen. Man möchte nach einer solchen Geschichte keinen klaren Cut, sondern die Möglichkeit bekommen, nachfolgende Verläufe und Konsequenzen selbst weiterzudenken und diese Möglichkeit hat Hagen Thiele uns hier gegeben.

Bewertung:

Ein sehr gelungener Horror-Roman, der in meinen Augen noch ein kleines bisschen mehr Horror-Elemente bergen könnte. Für mich hätte es dafür nicht die ausschweifend erzählte Beziehung zwischen Erik und Laura benötigt, da für Verlauf und Ausgang der Geschichte weniger Worte diesbezüglich ausreichend gewesen wären. Ein gänzliches Wegfallen würde im Verlauf nicht funktionieren, aber eine derartig lange Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Beziehungsstadium hat mich dann leider kurzzeitig vergessen lassen, dass ich einen Horror-Roman vor mir liegen habe. Sobald der Leser jedoch von dieser einleitenden „Nebengeschichte“ weggeführt wird, nimmt das Grauen in der Geschichte an Fahrt auf und auch ich fühlte mich als Leserin endlich angekommen. Ich konnte schockiert beobachten, wie Erik eine unschöne Wandlung vollzieht und „die Pflicht“ seine Tage, Nächte und vor allem seine Gedanken bestimmt. Schicksalhaft muss Erik das Leben führen, in das er hineingeboren wurde und nichts kann ihn davon erlösen. Gefesselt fiebert man dem Ausgang der Geschichte entgegen, wenn man in den Genuss kommen durfte, zu erfahren was Eriks Pflicht wirklich ist. Eine großartige Grundidee, deren Umsetzung für mich eine kleine Prise mehr Zerstörung hätte bekommen dürfen, die jedoch insgesamt, vor allem wenn man Eriks psychischen Werdegang im Auge behält, mitreißend gestaltet ist. Die Unvorhersehbarkeit beinahe aller Handlungen, ausgelöst durch sämtliche unbekannte Komponenten, erhält die Spannung konstant aufrecht und sorgt an vielen Stellen für überraschende Wendungen.

Schreibstil: 5/5
Charaktere: 3/5
Geschichte: 3/5
Spannung: 5/5
Überraschungen/Wendungen: 5/5

Gesamtbewertung: 4,2/5


• Die Coverrechte obliegen ausschließlich dem Autor. •

[Gekennzeichnet als Rezensionsexemplar]