
Über das Buch:
Autorin: J.M. Moser
Titel: Schrecklich, lebendiges Ich
Independently published (08. Juni 2020)
Genre: Thriller
ISBN: 979-8612590569
Preis: 15,70€

Inhalt:
Megan Greene ist ein Entführungsopfer, das seelischer, körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt war. Selbst zehn Jahre nach ihrer Rettung, hat sie mit dem normalen Leben zu kämpfen. Sie führt ein isoliertes Leben, das mit den ambitionierten Träumen der Vergangenheit wenig gemeinsam hat. Doch als ihr Entführer, der dänische Erbe eines Milliardenunternehmens Bent Olsen frühzeitig aus der Haft entlassen wird, ändert sich für Megan alles.
Meine Meinung:
Der Anfang der Geschichte war für mich das Stärkste am ganzen Buch. Der Leser wird in die Gerichtsverhandlung von Bent Olsen mitgenommen. Megan trifft wieder auf ihren Entführer und man verfolgt gebannt, wie sich die beiden einander gegenüber verhalten. Julia Moser hat diese Episoden unglaublich stark und kraftvoll wirken lassen. Man war irgendwie aufgeregt und hat sich gefühlt, als würde man mit im Gerichtssaal sitzen. Die italienischen sowie deutschen Worte im Ohr mit einer greifbaren, alles erdrückenden Stille und Angespanntheit im Hintergrund, die Aussagen der beiden und das Warten auf den Urteilsspruch – all das hat die Wirkung nicht verfehlt und man fühlte sich als Leser zurückkatapultiert in den Kellerraum mit Megan.
Nach der Urteilssprechung gibt es in der Geschichte einen Zeitsprung und wir befinden uns einige Jahre nach der Gerichtsverhandlung in Megans Leben. Sie scheint geerdet und einen großen Teil ihrer Alpträume hinter sich gelassen zu haben, doch die Dämonen scheinen gut verborgen noch immer in ihrem Inneren zu hausen. Eines Tages liest sie in der Zeitung, dass ihr Peiniger und Entführer – Bent Olsen – angeblich frühzeitig aus der Haft entlassen wurde und für Megan scheint sich das Grauen zu wiederholen.
Die Autorin spielt mit dem Leser, denn ob Bent Olsen wirklich noch lebt, Megans Psyche ihr einen Streich spielt oder doch jemand ganz anderes hinter all den merkwürdigen Zeichen steckt, die plötzlich um sie herum aufzutauchen scheinen – diese Optionen bleiben lange offen. Immer wieder erscheinen neue Hinweise, die auf das ein oder andere hindeuten könnten. Megan wird von Seite zu Seite labiler und man denkt irgendwann, dass sie sich alles einbildet, das Ganze psychisch nicht mehr verkraftet. Obwohl es ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem Leser und der Wahrheit gab, wurde die Spannung immer wieder ausgebremst. Das lag am Schreibstil, der an manchen Stellen schwächer war, als an anderen. Häufig – vor allem gen Ende hin – wirkten die Sätze und Aussagen der Protagonisten recht plump auf mich und die Gespräche oberflächlich. Auch wenn mich Handlung und Geschichte ebenso mitreißen konnten, wie im ersten Buch – der Schreibstil hat hier nicht so gut dazu gepasst. Natürlich war diese Geschichte nicht so rasant und brutal, wie der erste Teil, wahrscheinlich haben mir eben jene Ausdrücke gefehlt, die in Band eins einen großen Teil der Brutalität und Grausamkeit ausgemacht haben. Auch hat mir hier der frische Aufwind gefehlt, der im ersten Teil durch die lange Episode, die ausschließlich aus der Sicht von Bent geschrieben wurde, ausgemacht wurde. Ganz klar kann man sagen, dass sich hier viel mehr auf psychologischer Ebene und weniger auf der Handlungsebene abgespielt hat. Die flüssige Leichtigkeit, mit denen mich Bent Olsens Worte und Megans Gedanke im ersten Teil fesseln konnten, konnte ich leider in altbekannter Form nicht wiederentdecken, trotz vorhandener Spannung durch das unvorhersehbare Agieren der Charaktere und die überraschenden Handlungsstränge.
Dennoch konnte mich das Buch wieder begeistert, Julia Moser hat eine tolle Geschichte von ihrem Kopf aufs Papier gebracht und eine einzigartige Beziehung zwischen einer Entführten und ihrem Entführer geschaffen. Hier und da blitzen leichte stockholmische Züge in Megans Kopf auf und man weiß als Leser nicht, welchen Stellenwert Bent bei ihr wirklich einnimmt. Halluziniert sie seine Rückkehr vielleicht, weil sie ihn auf skurrile Weise vermisst? Oder ist er wirklich zurückgekehrt, um zu beenden was er angefangen hat? Sind alle Menschen in Megans Umfeld die, für die wir Leser sie halten oder droht ihr ihr unmittelbar Gefahr aus ihrem Freundeskreis? Julia Moser hat mich zwischenzeitlich ordentlich aufs Glatteis geführt und ich habe der Geschichte selbst einen unvorstellbar banalen Handlungsstrang angedichtet, der sich als absolut falsch erwies.
Bewertung:
Eine würdige Fortsetzung, die mich nur wenig weniger begeistern konnte als Band eins. Die Spannung der Geschichte hat sich glücklicherweise nicht verabschiedet und ich klebte an jeder Seite des Buches, um voranzukommen. Die atmosphärische Spannung war begrenzt und wurde stellenweise leider stark durch den Schreibstil eingedämmt. Die Charaktere – hier lernen wir nämlich auch neue Gesichter kennen – fand ich unglaublich intensiv gestaltet. Jede Figur scheint einen unfassbar hohen Stellenwert in Megans Leben einzunehmen und ist damit nicht nur für sie, sondern auch für den Leser etwas ganz Besonderes. Die Geschichte selbst endet mit einem gewaltigen Cliffhanger und nach Band zwei kommt man nicht mehr umhin, das Finale dieser Geschichte zu lesen, um endlich den Ausgang dessen zu erfahren, was bei einer unschuldigen Italien-Reise seinen fatalen Lauf genommen hat.
Eine gelungene Fortsetzung in der man sich niemals sicher sein darf, was wahr ist und was nicht.
Schreibstil: 3/5
Geschichte: 5/5
Spannung: 3/5
Charaktere: 5/5
Überraschungen/Wendungen: 4/5
Gesamtbewertung: 4/5

• Die Coverrechte obliegen ausschließlich der Autorin. •
[Gekennzeichnet als Rezensionsexemplar]