Jacqueline Pawlowski: Paraphil

Über das Buch:

Autorin: Jacqueline Pawlowski
Titel: Paraphil
Verlag: Redrum Verlag
Genre: Psychothriller
ISBN: 978-3959578653
Preis: 14,99€

Klappentext:

Sie ist die Erste. Gekleidet wie eine Puppe. Sie ist erst acht. Und … sie ist tot.
Bisweilen teilt sich Norbert mit Lissy und den anderen kindsähnlichen Sexdolls das Bett, doch etwas überschattet alles: Die Sehnsucht nach Wärme. Kann Norbert seinen Trieben widerstehen oder begeht er einen folgenschweren Fehler?
Unterdessen ist der Fund des toten Mädchens erst der Anfang von Elaras ganz persönlichem Albtraum.

Meine Meinung:

Die Thematik des Buches ist alles andere als leichte Kost, weswegen ich auch gleich zu Beginn eine Triggerwarnung aussprechen möchte. Es ist für mich persönlich das schwierigste Thema, das Inhalt einer Geschichte sein kann: Vordergründig sexuelle und körperliche Gewalt an Kindern, aber auch psychischer, sexueller und physischer Missbrauch im Generellen. Umso schwerer fällt es mir natürlich auch, eine Rezension zu schreiben. Grundsätzlich: Hut ab an die Autorin, die – wie ich aus dem Nachwort erfahren habe – selbst Mutter einer Tochter ist. Sich an ein solches Thema zu wagen erfordert viel Stärke und Beherrschung. Sich davon so weit distanzieren zu können, dass man sogar aus der Sicht eines Pädophilen schreibt, erfordert Mut. Jacqueline Pawlowski hat für mich ein unglaubliches Werk geschaffen. Sie versucht den Verstand des Lesers in dunkle, unbeleuchtete Ecken zu führen, die er normalerweise – aus Schutz – vor sich selbst verbirgt. Und das gelingt ihr wunderbar. Verpackt in einer spannenden, fesselnden Geschichte um eine Löwenmutter, deren Lebensweg mit Stolpersteinen gepflastert ist, führt uns Jacqueline Pawlowski in die Abgründe der menschlichen Psyche. Sie geht dabei brutal und unverblümt vor, beschönigt nichts und flacht auch nichts ab. Der Schreibstil ist einfach, aber fesselnd gehalten, jeder Gedanke ist dabei auf den Punkt gebracht und wird beim Namen genannt, ohne Umschreibung, ohne Beschönigung. Mehr als einmal musste ich das Buch beiseitelegen, weil die meisten Inhalte dieser Geschichte eben keine reine Fiktion sind, sondern noch immer das erschreckende und widerliche Abbild von Teilen unserer Gesellschaft.
Unabhängig von der wichtigen Deutungsebene des Buches, ist auch die Bildebene ansprechend und spannend gestaltet. Die Geschichte ist so aufgebaut, dass man im unregelmäßigen Wechsel aus der Sicht von Elara, Mutter der achtjährigen Charlotte, und Norbert liest. Elara hatte schon mehr als einen Schicksalsschlag zu verkraften und die Autorin verweist, mit ihr als Figur, auch hier auf verschiedene Tabuthemen, die in der Gesellschaft häufig und gerne „übersehen“ werden. Dennoch möchte ich hier einen Punkt kritisieren. Manchmal wurde Elara mit unaussprechlichen Grausamkeiten konfrontiert. Ihre Reaktionen fielen oft ganz unterschiedlich aus, teilweise in meinen Augen jedoch nicht angemessen. Manche ihrer Reaktionen fand ich zu lasch, teilweise schon gleichgültig und passiv. In einer Situation dieses Ausmaßes in meinen Augen völlig unangebracht und für mich nicht nachvollziehbar. Außerdem verleiht diese „Kälte“ ihrem Charakter für mich eine gewissen Oberflächlichkeit. Norbert hingegen lebt relativ unbeschwert seinen krankhaften Fetisch in seinem Keller aus. Ihm gegenüber konnte ich, aufgrund seiner Vorlieben, keine Sympathie entgegenbringen. Er ist für mich ein widerlicher Charakter ohne Vorzüge. Da er so viel Abscheu und Ekel in mir ausgelöst hat, hat die Autorin es definitiv geschafft, seine Figur erschreckend authentisch zu gestalten. Da Elara eine achtjährige Tochter hat, die natürlich auch zur Schule geht und Kontakt zu anderen gleichaltrigen Kindern hat, lässt sich nicht vermeiden, dass die Welten der beiden Protagonisten Berührungspunkte haben, die irgendwann anfangen sich zu überschneiden. Stellenweise sind diverse Handlungen für mich vorhersehbar gewesen, andere dagegen kamen völlig überraschend und haben mich sprachlos zurückgelassen. Obgleich ich überrascht wurde oder nicht, habe ich gebannt jedes Wort verfolgt. Ich wollte weiterlesen, aber gleichzeitig auch nicht, da ich nicht sicher war, wie weit die Autorin die moralischen Grenzen noch ausreizen würde, bis es zu deren endgültiger Überschreitung kommt. Letztendlich hat sie jedoch sowohl die Täter-, als auch die Opferseite nahezu grenzenlos agieren und aufeinanderprallen lassen und dabei herausgekommen ist ein brutaler, verstörend ehrlicher Psychothriller, der nicht nur auf höchstem Niveau unterhaltend, sondern auch Augen öffnend und wachrüttelnd auf mich gewirkt hat.

Bewertung:

Jacqueline Pawlowski gibt mit dieser authentischen, grausamen, ergreifenden und niederschmetternden Geschichte all jenen eine Stimme, die noch nicht laut genug sprechen können, die für andere schweigen oder für sich selbst. Sie erinnert uns daran, dass wir niemals wegsehen und niemals vergessen dürfen. Auch wenn diese Thematik in Kellerräumen und Schlafzimmern gut vor uns verborgen bleibt und sich fast ausschließlich im Dunkeln abspielt: Sie ist dennoch da und es ist wichtig, dass man ab und zu mit diesen Tabuthemen konfrontiert wird – und wenn es „nur“ in Form einer fiktiven Geschichte ist. Bei einer solchen Thematik ist mir wichtig, dass ich nicht nur auf geistiger, sondern auch auf emotionaler Ebene abgeholt werde. Ich habe von Hass über Wut, Ekel, Trauer und Ungläubigkeit bis hin zu Hoffnung, Dankbarkeit und Liebe alles empfinden können. Diese Geschichte ist grandios konzipiert und fesselnd geschrieben und sie kommt durch ihre Nahbarkeit an.
Ich möchte dieses Buch allen empfehlen, die nicht vor der Härte der Thematik abgeschreckt werden und außerdem auf der Suche nach einem spannenden Psychothriller sind, der in vielen Aspekten leider näher an der Realität ist, als wünschenswert wäre.

Schreibstil: 5/5
Geschichte: 5/5
Charaktere: 3/5
Spannung: 5/5
Überraschungen/Wendungen: 4/5

Gesamtbewertung: 4,4/5


• Die Coverrechte obliegen ausschließlich dem Redrum Verlag. •

[Gekennzeichnet als Rezensionsexemplar|Werbung]