
Über das Buch:
Autorin: Laura Purcell
Titel: Der Schattenriss
Originaltitel: The Shape of Darkness
Verlag: Festa Verlag
Reihe: Festa Must Read
Genre: Thriller
ISBN: 978-3-98676-018-2
Preis: 22,99 €

Inhalt:
Mitte des 19. Jahrhunderts hält die Fotografie in England Einzug, und die Scherenschnitt-Künstlerin Agnes kämpft verzweifelt darum, ihr Geschäft zu erhalten. Mit jedem Tag scheinen sich weniger Menschen für ihr besonderes Handwerk zu interessieren.
Agnes sieht sich plötzlich mit Problemen konfrontiert, die sie immer mehr in die Dunkelheit ziehen. Doch in den Straßen von Bath lauert ein weiterer Schatten: ein heimtückischer Mörder, der es scheinbar auf ihre Kunden abgesehen hat.
In ihrer Verzweiflung wendet sich Agnes an ein spirituelles Medium, die junge Pearl, die mit den Toten Kontakt aufnehmen soll.
Die Wahrheit, die die beiden Frauen ans Licht bringen, wäre jedoch besser im Dunkeln geblieben …
Meine Meinung:
Für mich war dieses Buch das Dritte von Autorin Laura Purcell. Wie immer kreiert sie einen unverwechselbaren Flair. Sie bewegt sich in bekanntem Terrain: dem viktorianischen Zeitalter. Sie schafft es, wie gewohnt, die Atmosphäre und gesellschaftlichen Gepflogenheiten der Zeit perfekt einzufangen. Unterstützt wird dieser Aspekt durch ausgiebige Recherche und die gekonnte Nutzung herkömmlicher Begriffe und Verhaltensmuster des 19. Jahrhunderts. Obgleich bestimmte Inhalte recht befremdlich wirken, findet man sich schnell in die literarische Welt von Laura Purcell ein. Die Protagonistinnen sind sehr gegensätzlich, aber doch ähnlich. Agnes verdient ihr Geld mit Scherenschnitten, wobei ihr Geschäft mehr schlecht als recht läuft. Außerdem ist sie im fortgeschrittenen Alter und hat eine bewegte Vergangenheit, welche sich erst nach und nach dem Leser entschlüsselt. Pearl hingegen ist im zarten Alter von elf Jahren. Dennoch ist auch sie gezwungen zu arbeiten, da ihre Familie von einem schlimmen Schicksal begleitet wird. Als Medium nimmt sie Kontakt mit den Toten auf. Die Geschichte führt die beiden zusammen. Hier hätte inhaltlich mehr Potential aus der Verbindung beider geschöpft werden könne. Die Zusammentreffen sind recht übersichtlich und kurzweilig gehalten. Es ist eher so, dass die persönlichen Geschichten der beiden Frauen nebeneinanderher erzählt werden und sich deren Weg irgendwann für einen kurzen Augenblick kreuzt. Und obwohl es durchaus Stellen gibt, in denen die Geschichte keine großen Schritte macht, bewirkt die Atmosphäre eine düstere, anhaltende Spannung. Gerade zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse und geben Details preis, die einen am vorher Gelesenen zweifeln lassen. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Wahn, zwischen Tatsachen und Hirngespinsten immer mehr. Unerwartete Entwicklungen werfen die Geradlinigkeit der Geschichte ordentlich durcheinander und offenbaren ganz neue Sichtweisen auf die Ereignisse. Am Ende gibt es keine klare Auflösung, sondern eine Andeutung, die in zwei Richtungen ausgelegt werden kann. Beide ergeben Sinn und wirken als Abschluss außerordentlich zufriedenstellend.
Bewertung:
Das Buch war für mich wieder ebenso grandios. Atmosphärisch unglaublich stark und mit nur minimalen Schwächen in der Charaktergestaltung begibt man sich in die befremdliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Die Schilderungen und Darstellungen sind absolut überzeugend und authentisch. Die Geschichte bietet eine angenehme Abwechslung. Aber herausragend ist wirklich das Ende, die „Auflösung“ des Ganzen. Hier gibt es viele Details, die Wahrheit und Wahn gegeneinander ausspielen. Letztendlich sind beide Möglichkeiten erklärbar. Letztendlich muss man sich als Leser am Ende für seine persönliche Wahrheit entscheiden – sofern man möchte. Dieses Ende hat dem gesamten Buch wirklich eine besondere Aufwertung verliehen, da es einen alles bis dato Gelesene infrage stellten lässt.
Schreibstil: 5/5
Charaktere: 3,5/5
Geschichte: 5/5
Überraschungen/Wendungen: 4,5/5
Spannung/Atmosphäre: 5/5
Gesamtbewertung: 4,6/5