
Über das Buch:
Autorin: Laura Purcell
Titel: Die stillen Gefährten
Originaltitel: The Silent Companions
Verlag: Festa Verlag
Genre: Viktorianische Geistergeschichte
ISBN: 978-3-86552-878-0
Preis: 22,99€

Inhalt:
England, 1866: Als Elsie den reichen Erben Rupert Bainbridge heiratet, glaubt sie, nun ein Leben im Luxus vor sich zu haben. Doch nur wenige Wochen nach ihrer Hochzeit ist sie bereits verwitwet. Und dazu schwanger.
Elsie bezieht das alte Landgut ihres verstorbenen Mannes. Da ihre neuen Diener ihr gegenüber äußerst reserviert sind, hat Elsie nur die ungeschickte Cousine ihres Mannes zur Gesellschaft.
Zumindest glaubt sie das. Doch in ihrem neuen Zuhause existiert ein verschlossener Raum. Als sich dessen Tür für sie öffnet, findet sie ein 200 Jahre altes Tagebuch und eine beunruhigende, lebensgroße Holzfigur – eine stille Gefährtin …
Meine Meinung:
Das Buch verzauber bereits vor dem Lesestart mit seiner noblen Aufmachung: Dunkle Buchklappen, hervorgehoben durch einen goldschimmernden Buchschnitt. Dass es sich hierbei um eine viktorianische Geistergeschichte handelt, ist sofort offensichtlich. Die Geschichte startet mit Elsie. Allerdings nicht so, wie man anhand des Klappentextes erwarten würde. Elsie sitzt in einer psychiatrischen Anstalt und hat die Geschehnisse, die sich auf dem alten Landgut „The Bridge“ ereignet haben, bereits hinter sich gelassen. Somit ist es an dem Leser, Seite für Seite in die Vergangenheit zu reisen und herauszufinden, was Elsie in ihre derzeitige Lage manövriert hat. Wir befinden uns also im Jahr 1865. Allerdings gibt es hier nicht nur den Wechsel zwischen Elsies Schilderungen in der Psychiatrie und ihren Erlebnissen in „The Bridge“, sondern auch Erzählungen, die in einem alten Tagebuch niedergeschrieben wurden. Die Tagebuchseiten verzeichnen das Jahr 1635 und beinhalten die Gedanken einer Vorfahrin von Elsies verstorbenen Ehemann Rupert Bainbridge. Aufgrund dieser drei Zeitebenen erschließt sich dem Leser die Geschichte Stück für Stück. Anfangs hatte ich einige Schwierigkeiten, mich in einer so weit entfernten Zeit zurechtzufinden. Hier galt es nicht nur, einige sprachliche Hindernisse zu überwinden, sondern auch gesellschaftliche Gepflogenheiten, die durchaus veraltet und befremdlich beim Lesen wirken. Allerdings zeigt dieser Schreibstil den authentischen Bezug zum Viktorianischen Zeitalter. Die Geschichte ist gezeichnet von einem düsteren, unheilvollem Flair. Der veraltete Glaube an Hexen ist allgegenwärtig. Symbolisch für diesen Aberglauben steht die im Tagebuch erwähnte Hetta. Die Tochter der Vorfahrin Anne Bainbridge, die ohne Zunge geboren wurde und einen Faible für Pflanzen- und Kräuterkunde hat. Im Jahre 1635 ist dieses Zusammenspiel für die Dorfbewohner natürlich eine Offensichtlichkeit. Die Berichte vom vergangenen Leben auf dem Landgut und die Schilderungen rund um das Leben der kleinen Hetta haben mir am besten gefallen. Hier war die Atmosphäre oftmals greifbar. Ein großer Teil der Gänsehautmomente ging auf jeden Fall von den Tagebuchseiten aus. Aber auch die Erlebnisse, die Elsie nach und nach in ihrem neuen Zuhause macht, lassen nicht kalt. Die stillen Gefährten, die immer mehr Raum in diesem heruntergekommenen, verwinkelten Haus einnehmen. Die nächtlich auftauchenden Geräusche und auch das Verhalten einiger Charaktere vereinen eine unheilvolle, unheimliche Atmosphäre. Da dem Leser bekannt ist, dass Elsie sich gegenwärtig in einer psychiatrischen Einrichtung befindet, steht außerdem die Frage nach Wahn und Wahrheit im Raum. Denn zunehmend mehr Ungereimtheiten tauchen auf und offenbaren auch dem Leser nicht ihr wahres Gesicht.
Das Ende hätte für mich gelungener nicht sein können. Hier bekommen wir eine Wendung dargeboten, die unvorhersehbar ist und sämtlich Gelesenes in ein neues Licht rückt. Obwohl uns die Autorin ein rundes, abgeschlossenes Ende präsentiert, bleibt für den Leser Platz für eigene Spekulationen. Allerdings auch nur in einem Maße, dass es nicht als Störfaktor oder gänzlich offenes Ende verstanden werden kann. Man bekommt glücklicherweise Antworten auf alle bis dahin offengebliebenen Fragen. Jedoch bleibt dem Leser beim endgültigen Abschluss der Geschichte ein kleines offenes Fenster, in dem Platz für die eigene Fantasie ist.
Bewertung:
Diese Geistergeschichte vereint viele starke Elemente, die das Buch definitiv empfehlenswert machen. Es gibt unheimliche Momente und gruselige Schlüsselmomente. Weiterhin ist die Sprache perfekt auf das Zeitalter abgestimmt und wirkt in sich sehr stimmig und authentisch. Die Charaktere sind vielschichtig gestaltet und begleiten uns wie ein alter Freund durch das ganze Buch. Die Geschichte erschließt sich nach und nach durch die drei Erzählebenen, sodass man keine einseitigen Informationen erhält. Zu kritisieren habe ich ein wenig die Beschreibung der stillen Gefährten selbst, da es mir oftmals schwer fiel, eine bildliche Vorstellung ihres Daseins zu bekommen.
„Die stillen Gefährten“ ist ein Buch, das gesamtheitlich definitiv mit seiner Atmosphäre und dem Aufbau überzeugen kann.
Schreibstil: 4/5
Charaktere: 5/5
Geschichte: 5/5
Spannung: 5/5
Überraschungen/Wendungen: 5/5
Gesamtbewertung: 4,8/5
• Die Coverrechte obliegen ausschließlich dem Festa Verlag. •