Nicole Siemer: Vanille und Verwesung

Über das Buch:

Autorin: Nicole Siemer
Titel: Vanille und Verwesung
Verlag: Books on Demand
Genre: Psycho/Horror
ISBN: 9783753443072
Preis: 12,99€

Inhalt:

Drei Geschichten, dreimal Horror!
Kind des Waldes: Fünf Jugendliche unternehmen einen Trip in den Grubinger Forst. Mit bösen Folgen.
Gib ihn zurück!: Kinder verschwinden spurlos. Erwachsene ersticken auf mysteriöse Weise. Streift ein Dämon durch Grubingen?
Der weiße Raum: Theo Lehmann hat einen Unfall. Kurz darauf erwacht er in einem scheinbar endlosen, weißen Raum. Und er ist nicht allein.
Vanille und Verwesung ist ein Roman voller Schrecken. Er vereint drei Horror-Novellen, inklusive der bislang unveröffentlichten Geschichte Der weiße Raum.

Meine Meinung:

Kind des WaldesFünf Jugendliche suchen den ultimativen Kick auf einer Gruseltour durch Deutschland. Ihre letzte Station (im wahrsten Sinne des Wortes): der Grubinger Forst. Das Setting „Wald“ war bereits Schauplatz vieler anderer Horrorgeschichten. Atmosphärisch immer wieder ein kluger Griff: ein Ast knackt hier, ein Rascheln da, der Wald wirkt undurchdringlich, dicht und dunkel. Sobald man weiß, dass sich die Protagonisten in einen Wald begeben, beginnt der Kopf wie von selbst ein Horrorszenario zu erschaffen. Und genau das ist auch Teil des Problems: Die Geschichte in ihren Grundzügen ist nicht neu. Mir fehlt ein wenig ein Alleinstellungsmerkmal oder eine Abhebung von anderen Horrorgeschichten, die in den Wald verlagert werden. So erschreckend und überraschend die bedrohliche Geräuschkulisse des Waldes für die Charaktere auch sein mag, so altbekannt sind diese Elemente auf der anderen Seite für den Leser. Allerdings fand ich den Hintergrund beziehungsweise das „Motiv“ der Taten sehr interessant. Eine kleine Ermahnung an den Leser, die Natur mehr zu achten, schwingt zwischen den Zeilen mit. Die ganze Geschichte ist eigentlich eine Metapher und das hat mir sehr gefallen. Die Novelle offenbart ihr Grauen ohne Umschweife. Derart viel Brutalität hätte ich tatsächlich nicht erwartet, allerdings hält der Grubinger Forst ausreichend Blutiges und Grausames für den Leser bereit. Die unverblümte Sprache, mit der die Taten detailliert beschrieben werden, unterstützt das beim Lesen aufwallende Schaudern. 
Es wird leider nicht erwähnt, wie alt die Charaktere sind, allerdings wirken sie auf mich jünger als sie wahrscheinlich sind. Sie fahren selbstständig, Drogen und Alkohol fließen außerdem in den Trip mit ein. Daher ist die Bezeichnung „Jugendliche“ wohl etwas unpassend, da eine jüngere Grundstimmung erwartet wird, die aber nicht eintritt. Am Ende haben mir außerdem Informationen über die alteingesessenen Bewohner Grubingens gefehlt. Diesen wird nämlich zu Anfang und Ende der Geschichte – im Verhältnis zur Gesamtlänge der Novelle – relativ viel Raum gegeben. Allerdings bleibt die Frage nach dem „Warum?“ bezogen auf das Verhalten der Einwohner, sowie der Grund für die unterlassene Warnung von dieser Seite, vorerst unbeantwortet. 

Bewertung: 3/5


Gib ihn zurück!: Lara und Chris sind Eltern von Mikel und erwarten außerdem ein weiteres Kind. Als immer mehr Kinder in Grubingen verschwinden, machen sie sich natürlich Sorgen um ihren Sohn. Niemand weiß wer oder was hinter den verschwundenen Kindern steckt. Und das Schlimmste: Sie sind bis heute nicht wieder aufgetaucht. Die Atmosphäre dieser Geschichte ist beinahe greifbar. Düster und bedrohlich fragt man sich, was hinter dem Verschwinden von Kindern und dem mysteriösen Ersticken von Erwachsenen steckt. Lara und Chris fand ich als Charaktere gut dargestellt. Allerdings hat auch Chris ein paar stereotypische Züge. Als Lara immer wieder merkwürdige Geräusche und Erlebnisse ihm gegenüber schildert, glaubt er ihr nicht. Ich mag diese Charakterzüge an Figuren nicht unbedingt, da ich dieses „Jemanden-als-verrückt-abtun“ selten nachvollziehbar finde. Wenn man in einer Partnerschaft lebt und sich gegenseitig vertraut, sollte man Gesehen geglaubtes des anderen nicht immer als verrückt abtun. Die Geschichte hat gut ausgearbeitete Grundzüge, die – im Vergleich zur ersten Novelle – mit neuen Ideen daherkommt. Außerdem gibt es wieder eine gute Verknüpfung zum Städtchen Grubingen. Die Atmosphäre und Geschehnisse in Grubingen ziehen sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch, sodass man trotz abgeschlossener Einzelgeschichten einen Rahmen um die Handlungen bilden kann. Das Ende fand ich überraschend. Man wird von der Endgültigkeit dieses Abschlusses ein wenig melancholisch, da es für keinen Beteiligten einen Ausweg gibt. Hier wurde eine interessante Legende eingebaut, die spannungsgeladen ist und nachdenklich stimmt. Allerdings fehlte etwas der brutale Aspekt, dafür spielt sich mehr auf der paranormalen Ebene ab.

Bewertung: 4/5


Der weiße Raum: Diese Geschichte konnte mich am meisten überzeugen. Theo und May führen eine Ehe, die alles andere als glücklich und perfekt verläuft. May hüpft gerne durch fremde Betten und Theo nimmt diese Tatsache beinahe gleichgültig zur Kenntnis. Als Theo einen Unfall hat, ändert sich im Leben der unglücklichen Eheleute beinahe alles. Hier hat es die Autorin geschafft, mich häufig in die Irre zu leiten. Die Figuren sind wahnsinnig interessant gestaltet. Dass diese Novelle die umfangreichste ist, habe ich freudig festgestellt, denn hier bekommt die Handlung eine angenehme Tiefe. Es gibt nicht nur einen Handlungsstrang, sonder mehrere einzelne Fäden, die letztendlich alle irgendwo zusammenführen. Außerdem hat man das Vergnügen, den neuesten Liebhaber von May kennenzulernen und auch aus seiner Sicht ein paar Seiten zu lesen. Doch auch er hat etwas vor May zu verbergen. Und genau hier konnte mich die Autorin in eine grandiose Falle locken, die ich so nicht erwartet hätte. Nicole Siemer baut an verschiedenen Stellen Spannung auf, die sich von den anderen beiden Novellen abhebt. Ich fand die Idee jung und erfrischend und könnte mir gut einen vollständig ausgearbeiteten Psychothriller rund um diese Geschichte vorstellen. Die Verwandlung von Theo habe ich mit Freuden genossen, denn er findet nach seinem Unfall ein neues Hobby: Die Zubereitung ganz besonders spezieller Fleischgerichte. Es wird blutig, ekelhaft und grausam. Und auch May ist als Charakter verachtens- und bemitleidenswert zugleich. Sie scheint Theo für ihre Zwecke zu benutzen, wie es ihr beliebt. Allerdings mochte ich auch sie enorm gerne, da sie nicht die klischeehafte, alleingelassene Ehefrau verkörpert, die von ihrem, sich in der Midlifecrisis befindlichen, Mann betrogen wird. Die Rollen sind getauscht und dabei auch unglaublich authentisch und spannend umgesetzt. Diese Novelle ist auf den Punkt. Es vereint sich Übernatürliches mit der Realität im Umfeld gescheiterter Eheleute. Brutalität, Blut und Krankhaftigkeit werden im genau richtigen Maß eingebracht und bilden so eine unterhaltsame und – in meinen Augen – makellose Horror-Novelle.

Bewertung: 5/5


Gesamtbewertung:

Kind des Waldes: 3/5
Gib ihn zurück! : 4/5
Der weiße Raum: 5/5

Gesamtbewertung: 4/5

Bewertung: 4 von 5.

• Die Coverrechte obliegen ausschließlich BoD. •

[Gekennzeichnet als Rezensionsexemplar]