
Über das Buch:
Autor: Paul Tremblay
Titel: A Head Full of Ghosts
Originaltitel: A Head Full of Ghosts
Verlag: Festa Verlag
Genre: Psychologischer Horror
ISBN: 978-3-86552-659-5
Preis: 19,99 €

Inhalt:
A Head Full of Ghosts schildert auf mehreren Zeit- und Personenebenen die Erlebnisse der 14-jährigen Marjorie. Als sie Anzeichen einer Geisteskrankheit zeigt, gipfelt die Hilflosigkeit ihrer Familie und der Ärzte in einem Exorzismus, der als Show live im TV ausgeschlachtet wird.
Jahre später gibt Merry, die jüngere Schwester von Marjorie, ein Interview und spricht über die tragischen und unheimlichen Geschehnisse, die seither zur urbanen Legende wurden.
Meine Meinung:
Wir haben hier eine etwas andere Geschichte über einen Exorzismus, denn hier wird auf wundersame Weise mit der Psyche des Lesers gespielt, da der Exorzismus selbst eigentlich nicht primär im Vordergrund steht. Wir begleiten die Geschichte rund um Marjorie aus verschiedenen Perspektiven – sowohl zeitlich als auch personell gesehen. Der in der Gegenwart spielende Handlungsstrang wird von Merry, der kleinen Schwester Marjorie´s, dominiert. Sie berichtet aus ihrer Sicht 15 Jahr alte Ereignisse. Mit diesen längst vergangene Geschehnissen wendet Merry sich an eine Autorin. Damit will sie ihren Erinnerungen eine Stimme geben und das Erlebte wohl auch aufarbeiten. Der zweite Handlungsstrang lebt in der Vergangenheit. Hier kann der Leser quasi zeitgleich mit Merry miterleben, was sich damals im Hause ihrer Familie abspielte. Da sie die Geschichte aus ihrem Gedächtnis wiedergibt, bekommt der Leser einen recht eingeschränkten Blick auf die geisterhaften Geschehnisse geboten. Dafür gibt es jedoch einen dritten Blickwinkel: Die damals im Fernsehen ausgestrahlte Show – die Marjorie und ihre Familie live zeigte – wird von einer Bloggerin auseinandergenommen und zerpflückt. Mit raffiniertem und fundiertem Horrorwissen und allgemein bekannten Gegenüberstellungen zu berühmten Horrorszenen wird die TV Show in diesen Blogbeiträgen von einer unbeteiligten Seite beleuchtet. Hier wird jede Folge der damals gedrehten Serie akribisch genau analysiert und kommentiert. Eventuelle Inszenierungen und sämtliche sichtbare Szenen bekommen einen nüchternen Kommentar verpasst, der den Leser zwischen Merrys Geschichte und einer subjektiven Analyse hin und her reißt. Anfangs empfand ich die Blogeinträge als verwirrend, da die Sprache sehr alltäglich teilweise wüst und ungefiltert daherkommt. Sobald man sich aber in die expressiven Sätze eingefunden hat, wirkt jeder einzelne Blogbeitrag, der hier und da in die Hauptgeschichte eingebaut wird, sehr erfrischend und bietet eine gute Abwechslung zu den beiden anderen Perspektiven, da sie einen doch sehr unvoreingenommenen und rein analytischen Blick auf die Geschichte rund um Marjorie zu geben scheinen. Die Frage, die sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch zieht, steht wie ein rosa Elefant im Raum: War Marjorie tatsächlich von einem bösen Geist besessen, oder waren sämtliche Eindrücke, die der Zuschauer durch die TV Serie bekommt, nur inszeniert um die finanziellen Probleme der Familie zu kitten? Diese Frage bewirkt, dass mit dem Leser psychische Spielchen gespielt werden, denn beide Fragen können durch verschiedene Ereignisse angedeutet beantwortet werden. Als Leser muss man sich jedoch selbst entscheiden, welchen Ausgang dieses Familiendrama letztendlich nimmt, denn eine klare Antwort bekommt man nicht. Insgesamt hätte ich mir – dafür dass es sich um die Geschichte eines jungen Mädchens handelt, dass durch die Hölle geht und ihre Familie geradewegs dorthin mitnimmt – eine angespanntere Atmosphäre gewünscht. Eindeutige Gänsehaut oder kalte Schauer konnte die Atmosphäre bei mir jedoch nicht bewirken. Ich habe die Geschichte gebannt verfolgt. Einen großen Teil hat die Zusammenstellung dieser absolut gegensätzlichen Perspektiven beigetragen. Eindeutige Horrorszenen gab es natürlich auch, jedoch konnten sich das grauenvolle Moment dieser durch den Schreibstil nicht immer wirkungsvoll entfalten. Für mich kam einfach keine durchweg bedrohliche Atmosphäre auf, die einer solchen Geschichte zur vollen Punktzahl verholfen hätte. Die Grundspannung war gut, das nackte Grauen konnte mich jedoch nicht packen. Das lag auch daran, dass die „besessenen Momente“ von Marjorie zum Teil sehr rar gesät waren.
Bewertung:
Ich fand die Geschichte großartig. Letztendlich verbirgt sich hinter dem Buchdeckel nicht die eindeutige Exorzismus-Geschichte, die ich erwartet hätte. Das Spiel mit dem Leser macht den Reiz der Geschichte aus und die verschiedenen Perspektiven, die längst vergangene Geschehnisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln schildern, säen Zweifel. Dadurch klebt man förmlich an den Seiten, da man für sich selbst das große Geheimnis um Marjorie aufklären will. Dabei bergen die Perspektiven auch die ein oder andere Überraschung, die das Gesamtkonstrukt der Spannung stark unterstützen. Das Ende fand ich ebenso unglaublich gelungen. Auch wenn man keine abschließende Antwort auf alle Fragen erhält, so bleibt doch genug Raum, diese für sich selbst umfassend zu beantworten. Eine unerwartete Wendung macht den Ausgang der Geschichte unvergessen und verschafft abschließende Grübelmomente, sodass man sich nicht augenblicklich vom Gelesenen befreien kann.
Schreibstil: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Geschichte: 5/5
Spannung/Atmosphäre: 3,5/5
Überraschungen/Wendungen: 5/5
Gesamtbewertung: 4,2/5
• Die Coverrechte obliegen ausschließlich dem Festa Verlag. •