Sophie Nuglisch: So viel mehr als das

[Gekennzeichnet als Rezensionsexemplar]

Über das Buch:

Autorin: Sophie Nuglisch
Titel: So viel mehr als das
Verlag: SadWolf Verlag
Genre: Noir Roman
ISBN: 978-3-96478-044-7
Preis: 12,99 €

Inhalt:

Es gab immer nur Harry und Gracie, Gracie und Harry. Seit ihrer Schulzeit sind die beiden ein Paar. Und sie sind verliebt, unsterblich und für alle Zeiten. Ein unschlagbares Team. Wären da nur nicht diese Momente, in denen Harry die Kontrolle verliert. Diese Momente, an die sich Gracie am nächsten Tag am liebsten nicht mehr erinnern würde. Aber sie kann verzeihen, immer und immer wieder. Dann taucht auf einmal Jack auf, der ihr Leben noch komplizierter macht und Gracie alles in Frage stellen lässt, woran sie immer geglaubt hat.

Meine Meinung:

Dieses Buch beinhaltet viele sensible Themen. Man sollte sich durchaus bewusst sein, dass es sich hierbei um eine Liebesgeschichte mit einem mehr als bitteren Beigeschmack handelt, der Betroffene durchaus triggern könnte. Die Bücher von Sophie Nuglisch kenne ich beinahe alle. Ich weiß auch, was diese Bücher in einem Leser auslösen können, wie sie jemanden fühlen lassen können. In diesem Buch genießt grundsätzlich keiner der Charaktere meine Antipathie. Alle haben gewisse Vor- und Nachzüge. Gracie und Harry sind schon lange ein Paar. Man lernt die beiden miteinander kennen und schnell stellt man sich die Frage, ob es sich hierbei noch um Liebe oder aber nur noch Gewohnheit handelt. Schnell kommt jedoch noch eine dritte Möglichkeit hinzu, die Beziehung der beiden zu beschreiben: Angst vor den Konsequenzen einer Trennung. Gracie und Harry leben in einer toxischen Abhängigkeit zueinander. Die rosarote Brille wurde schon längst abgesetzt, düstere Wolken ist über dem Zusammenleben der beiden aufgetaucht und hat vor allem Harrys dunkle Seiten zum Vorschein gebracht. Dennoch fühlt Gracie sich für ihn verantwortlich und verzeiht beinahe alles. Sie versucht ihn zu halten und gerät dadurch in eine Abwärtsspirale, aus der ein Entkommen aus ihrer Sicht kaum möglich scheint. Als Jack in ihr Leben tritt, beginnt sie ihr derzeitiges Leben zu hinterfragen und endlich scheint es einen anderen Weg für sie zu geben. Aber was wären die Konsequenzen für alle Beteiligten? Grundsätzlich ist das Thema der Toxizität in dieser Geschichte gut verarbeitet. Und obwohl Gracie wie ein völliges Klischee handelt, besitzt die Charakter etwas, um dieses Klischee zu durchbrechen: Selbstreflexion. Sophie Nuglisch schafft es, dass man sämtliche Handlungen nachvollziehen kann. Die Beziehung zwischen Harry und Gracie wird mit einer starken Tiefe dargestellt. Man fühlt sich als dritte Seite dieser Bindung und dabei hat man nicht den Eindruck, fehl am Platz zu wirken. Nach und nach offenbart sich, durch welche Tiefen die beiden bereits in der Vergangenheit gegangen sind. Man erlebt, wie Gracie immer wieder versucht, Harry zu retten. Diese Geschichte ist eine vollständige Entwicklung zweier Seelen und wir dürfen als Leser dabei sein. Hierbei wird es oft brutal und hässlich, man muss die Grenzen der eigenen Stärke immer wieder neu setzen. Trotzdem muss ich sagen, dass mir leider etwas gefehlt hat. Man kommt den Figuren unheimlich nah, lernt beinahe jede Seite von ihnen kennen und begleitet sie auf einem schweren, emotionalen Weg. Dennoch hatte ich häufig das Gefühl einer gewissen Distanziertheit. Diese hat wiederum dazu geführt, dass ich emotional nicht so sehr mitgerissen werden konnte, wie ich es von Sophie Nuglischs Geschichten gewohnt bin. Ich habe das Buch zugeklappt und mein erster Gedanke war „Das war es jetzt.“ Allerdings habe ich dabei keine Trauer oder Sentimentalität verspürt. Obwohl das Ende noch eine große Überraschung bereithielt, konnte auch diese mich nicht ganz so sehr abholen, wie ich es mir gewünscht hätte.

Bewertung:

Die Bücher von Sophie Nuglisch sind immer gnadenlos und unverblümt in ihrer Thematik und der Umsetzung dieser. Auch hier wird man als Leser mit solchen Themen konfrontiert. Die Darstellung einer toxischen Beziehung, in der auch Gewalt herrscht, ist unglaublich gut gelungen. Auch Harry, dem ich jedes Wort geglaubt habe, ist nicht der rücksichtslose gewalttätige Freund, sondern eine verlorene Seele, mit der ich wirklich Mitleid haben konnte. Die Komplexität und Tiefe dieser Beziehung ist mit den gewählten Worten greifbar und nachvollziehbar dargestellt. Gracie und Harry sind für mich eine charakterliche Meisterleistung, die trotz gewisser Klischees eine unglaubliche Tiefe und Vielschichtigkeit besitzen. Der beidseitige Hang zur Selbstreflexion unterstreicht die Tragik der Geschichte. Unabhängig dieser technisch unglaublich gelungenen Schreibleistung, konnte mich das Buch atmosphärisch nicht so packen, wie ich es erwartet und mir gewünscht hätte. Begründen kann ich diesen Aspekt nicht, er ist rein persönlicher Natur und rührt von einer emotionalen Distanz, die sich während des Lesens in mir aufgebaut hat.
Dennoch ist diese Geschichte lesenswert und darüber hinaus unglaublich wichtig, gelesen zu werden.

Schreibstil: 5/5
Charaktere: 5/5
Geschichte: 3,5/5
Spannung/Atmosphäre: 3/5
Überraschungen/Wendungen: 4/5

Gesamtbewertung: 4,1/5

Bewertung: 4 von 5.