Wolfgang Brunner: Kinderspiele

Über das Buch:

Autor: Wolfgang Brunner
Titel: Kinderspiele
Verlag: Redrum Books
Genre: Horror
ISBN: 978-3959576741
Preis: 14,99€

Inhalt:

Das Leben der Geschwister Benny (8) und Tammy (11) ist ein Albtraum aus Gewalt und Erniedrigung. Sie werden von ihren Eltern geschlagen und sexuell missbraucht. Hoffnung finden sie in ihrer gegenseitigen Geschwisterliebe und in einer heilen Fantasiewelt, in die sie flüchten, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Doch Realität und Fiktion vermischen sich. Die KINDERSPIELE werden Wirklichkeit.

Meine Meinung:

Ich glaube es wird mir schwerfallen, das Buch im Nachhinein völlig objektiv zu betrachten. Ich kann für mich sagen, dass diese Geschichte grandios ist – gnadenlos, fesselnd und vollkommen unverblümt. Erzählt wird die Geschichte von Benny, der mittlerweile ein stolzes Alter von 70 Jahren erreicht hat. Mir als Leserin sagt das bereits: Die Geschichten der Kindheit sind abgeschlossen und damit unveränderlich. Benny sieht sich einer Psychologin gegenüber, die seine Mutter ebenso aufgesucht hatte. Ihr will er sich anvertrauen und seine Kindheitserlebnisse schildern, um die Vergangenheit loslassen und aufarbeiten zu können. Die Psychologin ist ein liebevoll gestalteter Charakter, der Bennys Eltern in einem harten Kontrast gegenübersteht. Das macht sie einerseits für den Leser sympathisch, andererseits hat sie auf Benny eine ersetzende Wirkung. Das macht es für ihn leicht, sich ihr anzuvertrauen und seine Geschichte preiszugeben. Obwohl sie als Charakter der Geschichte eher im Hintergrund agiert, spielt sie eine große Rolle im Buch, da wir als Leser durch ihre Augen überhaupt erst die Kindheitsgeschichte von Benny und Tammy erfahre können. Das Ganze macht den Aufbau des Buches sehr interessant. Kreiert als langer Dialog zwischen Benny und der Psychologin, der keinerlei Ablenkung zulässt, erfahren wir hier aus Erinnerungen welcher Alptraum die Kindheit der Geschwister geprägt hat. Unterbrochen wird dieser Dialog hin und wieder durch alte Aufzeichnungen aus der Zeit, als Bennys Mutter selbst die Psychologin aufsuchte. Trotz Schweigepflicht möchte sie den alten Mann daran teilhaben lassen, wie seine Mutter die Vergangenheit empfunden hat und wiedergibt.
Wieder und wieder nimmt Benny den Leser gedanklich mit zurück an den Ort seiner Kindheit. Und immer wieder erleben wir gedanklich ebenso wie er, welch hartes Schicksal es zu verkraften gilt. Die Charakterzeichnung ist Wolfgang Brunner absolut gelungen. Wir erleben zwei unschuldige Kinder, die nur einen Bruchteil dessen, was ihnen widerfährt, wirklich begreifen können. Wir erleben auch zwei Erwachsene, die diese Unbegreiflichkeit ausnutzen und sich zur Macht machen. Mit einer unglaublich realistischen und auch nüchternen Schilderung weckt der Autor beim Leser das Gefühl „Wir gegen die“. Man bekommt keine übertriebenen oder unglaubwürdigen Handlungen geboten. Alles an diesem Buch ist stimmig aber dennoch intensiv. Die Atmosphäre, düster und unheilvoll, hätte für mich passender nicht sein können. Ich hatte teilweise selbst Angst vor den nächsten Wutausbrüchen von Vater Wilhelm und wie weit sie ihn diesmal treiben könnten. Die Fantasiewelt, Paso Robles, in die sich Tammy und Benny flüchten, ist ein Traum. Ein Traum für die Kinder, da sie dieses Paradies eigens nach ihren Vorstellungen gestalten können. Diese Welt zeigt ganz klar Bennys größten Wunsch: einen liebenden Vater. Wolfgang Brunner nennt die Dinge in diesem Buch beim Namen. Er beschreibt äußerst detailliert und genau, was mit den Kindern geschieht. Wie sehr sie unter ihren Eltern leiden müssen und was diese den Kindern antun. Durch die Aufzeichnungen der Psychologin, über die Sitzungen mit der Mutter, erfährt man jedoch nicht nur, wie die Kinder die Situationen wahrnehmen, sondern auch wie es im Inneren der Eltern aussieht. Ich glaube für mich war der Aspekt, wie die eigenen Taten der Erwachsenen von sich selbst wahrgenommen werden, beinahe noch schlimmer als die Tätlichkeiten selbst. Ich habe eine unbändige Wut empfunden jedes Mal, wenn ich diese Worte lesen musste. Das schlimmste war dabei, dass Wolfgang Brunner so realistisch und nüchtern schreibt, dass man meinen könnte, wir bekommen hier einen True-Crime-Buch zu lesen. Natürlich gibt es leider genügend Begebenheiten, die sich mit dem Grundgerüst der Geschichte decken. Jedoch schreibt Brunner dermaßen ruhig und eindringlich zugleich, dass man um die Fiktion vergisst.

Bewertung:

Ich habe in dieser Geschichte ein neues Lieblingsbuch gefunden. Auch wenn mir das Wort „Horror“ auf dem Cover nicht so gut passt, so ist dieses Werk doch rundum gelungen. Die Atmosphäre ist unglaublich passend, ebenso wie der durchweg vorhandene Spannungsbogen. Die Charaktergestaltung ist zwar zum Teil ekelhaft und verabscheuungswürdig, aber auch sehr intensiv und realistisch. Die Verknüpfung mit der Fantasiewelt Paso Robles zeigt wunderbar auf, wie Kinder die in solchen Familien aufwachsen müssen, versuchen sich selbst zu retten, indem sie von der grauen Realität in eine bunte Traumwelt flüchten. Am Ende des Buches habe ich Tränen vergossen und eine tiefe Trauer empfunden. Wolfgang Brunner hat es geschafft, unglaublich viele Emotionen in mir auszulösen. Diese Geschichte ist für mich absolut perfekt und da ich keinerlei Kritik habe, ist das Buch für mich ein Jahreshighlight.

Schreibstil: 5/5
Geschichte: 5/5
Charaktere: 5/5
Spannung: 5/5
Überraschungen/Wendungen: 5/5

Gesamtbewertung: 5/5


• Die Coverrechte obliegen ausschließlich dem Redrum Verlag. •